Die eigene Pflegebedürftigkeit oder die Pflege eines nahen Angehörigen trifft Menschen meist unvorbereitet. Wir möchten dazu anregen, sich mit diesem Thema früh auseinanderzusetzen. Was man im Vorfeld tun kann bzw. dann, wenn der Pflegefall eingetreten ist, erläutert in diesem Experteninterview Rechtsanwältin Tina von Kiedrowski.
Tauschen Sie sich schon im Vorfeld mit Familie und Freunden aus, welche Form der Pflege Sie sich wünschen, aber auch darüber, wozu Ihre Angehörigen bereit sind und was für Sie nicht infrage kommt. Halten Sie diese Antworten am besten schriftlich fest. Anfangs geht es meist um Dinge, die den Alltag erleichtern, wie z. B. den Fahrdienst zum Seniorentreff. Die Suche nach Anbietern und das Beantragen von Pflegeleistungen brauchen einen zeitlichen Vorlauf, und so gewöhnt man sich ans Sich-helfen-Lassen.
Es ist wichtig, dass pflegende Angehörige die anderen Familienmitglieder von Anfang an einbeziehen.
Wichtig ist auch, dass im Vorfeld alle für die Pflege notwendigen Dokumente vorliegen, wie z. B. Bank- und Vorsorgevollmachten.
Wichtig ist zunächst eine Bestandsaufnahme zu den eigenen Vorstellungen und den damit verbundenen Pflegekosten. Der Eigenanteil für einen Pflegeheimplatz beträgt im Durchschnitt 2.179 Euro pro
Monat (Stand: 1.1.2022). Deshalb sollten frühzeitig finanzielle Rücklagen für das Alter gebildet werden, um eine stationäre Pflege abzusichern. Auch eine Pflegezusatzversicherung deckt die Pflegekosten ab.
Eine Pflegeberatung gibt Informationen zu Pflege, Unterstützung der Pflegekasse sowie Hilfsangeboten in der Nähe und unterstützt bei Anträgen und beim Erstellen eines Pflegeplans. Anbieter sind die 300 Pflegestützpunkte in Deutschland, aber auch Wohlfahrtsverbände und freie Beratungen, z. B. der Sozialdienst im Krankenhaus.
Die häusliche Pflege stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Pflegende Angehörige fühlen sich überfordert, da sie neben der Pflege noch berufstätig sind und dadurch ihren eigenen Ansprüchen an die Pflege der Eltern nicht gerecht werden. Den Pflegebedürftigen fällt es schwer, um Hilfe zu bitten und diese zu akzeptieren. Bei Konflikten hilft nur eins: darüber reden.
Bei größeren Familienkonflikten kann eine Mediation helfen.
In den letzten Jahren haben sich viele gute Alternativen zur Betreuung im Pflegeheim und durch Angehörige zu Hause entwickelt. Aufwendige pflegerische Betreuung und das Wohnen in den eigenen vier Wänden schließen sich nicht mehr aus: von der ambulanten Pflege durch einen Pflegedienst, die 24-Stunden-Pflege zu Hause durch ausländische Pflegekräfte, über die Betreuung in einer Senioren-WG bis zum betreuten Wohnen oder Leben in einem Mehrgenerationenhaus. Das Portal www.pflege.de informiert über verschiedene Wohnformen. Letztlich entscheiden der eigene Bedarf und die finanziellen Ressourcen.
Über die sogenannte Verhinderungspflege können sich Hauptpflegepersonen stunden-, tage- und wochenweise durch Angehörige oder professionelle Pflegekräfte vertreten lassen und erhalten dafür Leistungen von der Pflegeversicherung.